Der freie Bauernstand

 

Geschichtlich gesehen betätigte sich der Mensch als Sammler und Jäger bevor er sesshaft wurde und siedelte – zunächst einzeln, später gemeinschaftlich in Dörfern. Er rodete Wälder, legte Sümpfe trocken, kultivierte Moore und begann das so erworbene Land zu beackern und zu bewirtschaften. Aus der bäuerlichen Tätigkeit entwickelte sich der „Urberuf“ Bauernstand als Kulturträger.

Form und Aufbau der siedelnden Gemeinschaft dieser Bauern waren abhängig von der Bodenart und dessen Fruchtbarkeit, sowie von der Wirtschaftsform, den traditionellen Gewohnheiten und der kulturellen Identität der Bewohner. Im Gegensatz zur Einzelsiedlung, einem Wohnplatz oder Einzelgehöft, ist das Dorf eine menschliche Wohnstätte unterschiedlicher Größe, die zumeist durch eine landwirtschaftlich geprägte Siedlungs- und Sozialstruktur gekennzeichnet war und ist. Aus der germanischen Zeit stammend überlebte die Aufteilung und Zuordnung des Ackerlandes und damit auch das gemeinsam genutzte Gemeindeland eines so strukturierten dörflichen Gemeinwesens bis in das späte Mittelalter; eine Zersplitterung der Souveränität und Aneignung durch Fremde wurde dadurch weitgehend verhindert, die Stellung des Bauern gestärkt.

Als im Gefolge der Bevölkerungszunahme die Siedlungen immer näher zusammenrückten, wurden wegen der Landnutzung bewaffnete Auseinander-setzungen zwischen größeren Siedlungsverbünden oder „Stammensvölkern“ unausweichlich. Um eine Teilnahme an diesen Konflikten, und dadurch auch eine längere Abwesenheit von seinem Hof zu vermeiden, hatte ein Teil der Bauern seine Verpflichtung zur Teilnahme am Kriegsdienst dadurch vermieden, dass sie sich einem weltlichen oder kirchlichen Herrn unterstellten.

 

Dadurch gaben sie zwar ihren Rechtsstatus als freie Bauern auf, erhielten ihren Besitz aber von ihrem neuen Herrn zur Bewirtschaftung wieder zurück. Die neuen Grundherren übernahmen in der Folge den Schutz des Bauern und seines Hofes, wofür die Bauern jedoch Abgaben zu leisten und Dienste als Gegenleistung zu verrichten hatten.

 

Mit Beginn des Feudalismus und dem damit einhergehenden Lehnwesen ging der Besitz weiterer Bauern, wie auch das Gemeindeland vieler Dörfer durch „Abrundung“ herrschaftlicher Güter des seiner lehensstaatlichen Aufgaben verlustig gehenden Adels in dessen Eigentum über. Dadurch wurde der betroffene Bauer entweder von seinem Besitz verdrängt, oder hatte ebenfalls Abgaben oder Leistungen an einen Grundherren zu entrichten, oder er geriet auf eine andere Art in ein Lehnsverhältnis zu einem weltlichen oder kirchlichen Herrn (Adel, Kirche, Kloster), an den er in der Folge dann Abgaben oder Dienstleistungen (Feudallasten) zu entrichten hatte. Im Rahmen der so genannten Villikationsverfassung (Agrarverfassung, 8. bis 14 Jh.) konnte er auch als grundherrlicher Verwaltungsbeamter eingesetzt werden, er wurde dann als „Meier“ (Erbpächter) dieses vormals meist eigenen und jetzigen Herren-Hofes bezeichnet, womit er zwar Vorsteher eines Fronhofs und Leiter des Hofgerichts, aber nicht mehr im Besitz eigener Ländereien war. Anders als in anderen Ländern des deutschen Reichs zählten nach dieser Verfassung in Niedersachsen, Westfalen und Österreich solche Meier weiterhin zu den freien Großbauern. Sie bildeten mit ihren von ihnen bewirtschafteten und vererbbarem Hof nebst zugehörigen Stallungen, Scheunen usw. den freien Bauernstand, auch wenn sie das von ihnen bewirtschaftete Land nur gepachtet oder zu Lehen erhalten hatten, oder den zuvor eigenen Boden von einem weltlichen oder kirchlichen Lehnsherren als Verwalter oder „Meier“ zur Bewirtschaftung übertragen bekamen.

 

Auch nach dem 14. Jh. bezeichnete man die Pächter solcher Güter, den so genannten „Meierhöfen“ als „Meier“ oder auch als „Meierhofer“. Sie, die Pächter, blieben weiterhin freie Bauern ihres oftmals vererblichen Betriebes, die Art und Höhe der zu entrichtenden Pacht wurde durch einen auf das Meierrecht beruhendem „Meierbrief“ bestimmt.

 

Der Meierbrief regelte die Art, den Umfang und den Bestand der zur Bewirtschaftung und Verwaltung der überlassenen Wirtschaftseinheit durch das so genannte „Meierrecht“, wodurch auch das örtlich spezifische Besitz- und Verwaltungs-recht der in Verwaltung gegebenen Höfe/Ländereien zu einem vererblichen und veräußerlichen Nutzungsrecht umgewandelt wurde. Es war das in der Grafschaft Schaumburg vorherrschende und prägende Besitzrecht (wobei anzumerken ist, dass in der frühen Neuzeit jedes Fürstentum in Norddeutschland sein eigenes „Meierrecht“ hatte). Im Verlauf des 16. Jh. wurde aus dem zuvor meist zeitlich begrenzten Nutzungsrecht ein „erbliches dingliches Recht auf Nutzung übertragenen Gutes mit der Verbindlichkeit, das Gut den Grundsätzen bäuerlicherWirtschaftsführung gemäß zu bewirtschaften, mögliche Spanndienste und bestimmte jährliche Leistungen in Form einer festgelegten Pacht zu entrichten und nach Ablauf festgesetzter Perioden einen neuen Meierbrief zu lösen“.

 

Nach Wirksamwerden des durch den Freiherrn von und zum Stein auf den Weg gebrachten Ablösungsgesetzes von 1832, und im Zuge der Bauernbefreiung nach der Märzrevolution 1848 entfielen die Pachtzahlungen an die Lehnsherren, ein Einlösen von Meierbriefen war nicht mehr erforderlich, die Schaumburger Bauern waren wieder Herren auf eigenem Grund und Boden. Anstelle der als „Feudallasten“ empfundenen Abgaben und Frondienste an ihre Lehns- oder Grundherren hatten sie nun jedoch Abgaben und Dienstleistungen in Form von Steuern und Wehrdienst an den Staat zu entrichten.

 

Die Einteilung der Höfe erfolgte nach der Größe des Besitzes als Hufenland (1 Hufe = 30 Morgen). Danach waren

  • ·    Vollmeier die Großbauern, die über einen Landbesitz von 2 – 3 Hufen verfügten (zum Bredehof als größtem Hof Rolfshagens gehörten über 2 Hufen reinen Ackerlandes, hinzu kamen nochmals etwa 1½ Hufen an Wiesen- und Waldbesitz). Die Vollmeier von Lehns- oder Herrenhöfen hatten dem Grundherrn bei Bedarf neben anderen Diensten und Zahlungen ein aus vier Pferden bestehendes volles Gespann zu stellen. In der sozialen Hierarchie eines Dorfes nahmen die Vollmeier eine herausragende Stellung ein.
  • ·    Halbmeier waren die Besitzer eines „halben Hofes“ mit meist nur einer Hufe Land; sie hatten dem Grundherrn neben anderen Diensten und Zahlungen bei Bedarf ein aus zwei Pferden bestehendes halbes Gespann zu stellen.
  • ·     Großkötner, Mittelköthner und Kleinköthner waren eine, meist auf Böden minderer Qualität siedelnde, so genannte „kleinbäuerliche Schicht“ mit einem Landbesitz zwischen 30 Morgen (Großkötner) und 2 Morgen (Kleinköthner). Die Köthnerhöfe waren meist am Dorfrand angesiedelt oder von alten Höfen abgeteilt. Reichte der Feldertrag für den eigenen Lebensunterhalt nicht aus, verrichteten sie zusätzlich handwerkliche Arbeiten oder arbeiteten als Lehrer oder Tagelöhner
  • ·    Brinksitzer waren solche Siedler, die oftmals nur eine im dörflichen Außenbereich liegende Hütte besaßen und nicht Eigentümer des Landes waren, auf dem sie wohnten. Sie bestritten ihren Lebensunterhalt vorwiegend aus kleinhandwerklicher Tätigkeit, als Dienstbote, Lehrer, Tagelöhner oder Hirte. Aufgrund ihrer schwachen sozialen Stellung wurden die Brinksitzer überproportional mit Steuern und Abgaben des Lehnsherrn belastet. Im Gegensatz zu den Leibeigenen galten sie aber als freie Arbeiter, standen im Unterschied zu den Köthner jedoch außerhalb der Dorfgemeinschaft.

 

Die Klassifizierung der Höfe in obiger Form wurde unter Berücksichtigung der Hofgröße, seines Steuerwertes und der sozialen Stellung des auf seinem Hof „residierenden“ Landwirts vorgenommen. Die Benennung Ackerhof, Vollspännerhof, Vollmeierhof, Halbacker-, Halbmeier-, Dreiviertelspänner- und Halbspännerhof, sowie Groß- und Kleinkötherhof, Kotsassenhof usw. beziehen sich gemäß Meyers Konversationslexikon von 1888 auf den Umfang, nicht auf besondere rechtliche Verhältnisse der Bauerngüter. Diese Einordnung hatte bis zum Ende des 19. Jh. Bestand. Auf die sozialen Unterschiede zwischen den Besitzern der verschiedenen Hof-Kategorien wurde streng geachtet, die daraus entstandenen Barrieren konnten nur selten durchbrochen werden.

 

Zur Sicherstellung der bäuerlichen Existenz wurde im 16. Jh. eine Aufteilung des Erbhofes unter den Kindern untersagt; es galt das Ältestenrecht, das Majorat. Die Stiftung eines Majorats sollte der Zersplitterung von Landbesitz entgegenwirken. Es konnte aber nur dann eingerichtet werden, wenn der Besitzer des Hofes in vollem Umfang über seine Güter verfügen konnte (was bei einem bestehenden Lehnsverhältnis nicht immer der Fall war). Danach erbte der jeweils älteste Sohn den Hof, die übrigen Geschwister gingen leer aus, sie mussten weichen, konnten aber als Knecht oder Magd auf dem Hof bleiben. Aus diesem Grunde heirateten auch viele Zweit- und Drittsöhne vom Bredehof die Töchter von solchen Bauernhöfen, auf denen ein männlicher Erbe fehlte. Durch Einheirat gründeten sie sozusagen „Dynastien“ – nicht nur in den Nachbargemeinden des Auetals, oder wanderten ab Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt nach den USA aus - häufig zusammen mit ihren Geschwistern – wo sie sich überwiegend im Mittelwesten der USA wiederum als Farmer niederließen.

 

Erläuterungen zu dem obigen Bild:

Bis zur Einführung von Mähmaschinen erfolgte die Getreideernte in Handarbeit mit der Sense, meist schon während der so genannten Gelbreife des Getreides (beginnende Verfärbung der ersten Körner von grün zu gelb). Die abgemähten Getreidehalme band man zu Garben zusammen; jeweils mehrere Garben wurden in Hocken zum Trocknen und Abreifen aufgestellt. Das Getreide wurde anschließend in einer Scheune bis zum Winter zwischengelagert und dann ausgedroschen – anfänglich mit der Hand (Dreschflegel), nach Beginn der Mechanisierung in der Landwirtschaft zunehmend mit  Dreschmaschinen. Diese Maschinen hatten Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland ihre größte Verbreitung; sie sind inzwischen wieder vom Mähdrescher verdrängt worden.

 

Mit der Einführung von Mähmaschinen (Balkenmäher), Garben bildender Mähbinder und ab Mitte des 19. Jahrhunderts den weiter entwickelten Selbstbindern wurde die schwere, zeit- und personalintensive Erntearbeit sukzessiv erleichtert.

 

Heute erfolgt die Getreideernte fast ausschließlich mit Hilfe von Mähdreschern, die 1936 erstmals als sogenannte Mäh-Dresch-Binder von einer westfälischen Firma entwickelt zum Einsatz kamen. Die heutigen Mähdrescher mähen, dreschen und reinigen gleichzeitig das Getreide in einem Arbeitsgang. Das ausgedroschene Korn wird vor dem Abtransport in einem im Mähdrescher enthaltenen Korntank gesammelt, das Stroh wird entweder gehäckselt auf dem Feld verteilt, oder in Schwaden abgelegt und später mittels einer Ballenpresse zu großen Ballen (Durchmesser etwa 150 cm, Gewicht, abhängig von der Getreideart ca. 250 kg) aufgerollt und dann abtransportiert.

 

Die Getreideernte war früher eine enorm Personal- und arbeitsintensive, mühselige und schweißtreibende Angelegenheit. Das anfangs noch mit der Sense gemähte Getreide wurde zunächst mit einem Bindfaden oder einzelnen Strohhalmen zu Garben gebündelt, um dann zu mehreren in Garben auf dem Feld zum Abtrocknen aufgestellt zu werden. Anschließend wurden die Garben Mittels einer Forke auf sogenannte, von Pferden gezogene Leiterwagen verstaut, und in eine Scheune transportiert. Hier wurde es bis zum Dreschen zwischengelagert; entweder, was die Arbeit ein wenig erleichterte, gleich neben dem Leiterwagen auf dem Boden der Scheune, oder, etwas schwieriger, die Garben mussten wieder mit Hilfe einer Forke einzeln durch eine Luke nach oben in das Obergeschoss befördert werden, wo es dann angenommen, weitergereicht und letztendlich irgendwo abgelegt wurde.

 

Im Winter begann dann das Dreschen. Dabei wurde jede Garbe wiederum einzeln auf die mittels E-Motor angetriebene Dreschmaschine gewuchtet, vom Bindfaden oder den entsprechenden Strohhalmen befreit, um dann von einer Person vorsichtig auf die rasend schnell rotierende Trommel der Dreschmaschine geleitet zu werden. An einem Ende der Maschine kam das ausgedroschene Getreide heraus; es wurde in Säcken zu je 100 kg abgewogen, am anderen Ende kam das um die Getreidekörner erleichterte Stroh heraus, das zwecks späterer Weiterverwendung wieder abtransportiert und irgendwo zwischengelagert werden musste. Das ganze Procedere war mit ohrenbetäubendem Lärm und so viel Staub verbunden, dass die Sichtweite zuweilen keine zwei Meter betrug.

 

Nebenstehendes Bild zeigt zwei Pferde im Geschirr und ihren Lenker. Hier wurde gerade einer der oben beschriebenen, in diesem Fall mit Roggen beladenen und entsprechend schweren Leiterwagen in eine Scheune gezogen – ein wahrhaft schweres Unternehmen für Mensch und Tier!